Nachdem wir in Teil 1 die wichtigsten Vorgaben und Empfehlungen kennengelernt haben, möchte ich mit euch fünf Tipps für mehr Accessibility teilen, die ihr sofort umsetzen könnt.
Tipp 1: Sei neugierig
Das Internet ist gross und mit dem Suchbegriff «Accessibility» findet man über 7.8 Milliarden Resultate. Ich schlage vor, dass ihr mit den folgenden Webseiten beginnt und euch nach und nach mit dem Thema vertraut macht.
Eher fachlich:
- Access for all
- Access for all Blog
- E-Accessibility Webseite des Bundes
- Informationen zum European accessibility act
- Erklärung zur Barrierefreiheit Kanton Zürich
Eher technisch:
- W3C WCAG Guidelines
- The A11Y Project
- Cecilie's Course Automatic Accessibility Testing
- Building the most inaccessible site possible with a perfect Lighthouse score - Manuel Matuzović
Tipp 2: Lerne deine Benutzerinnen und Benutzer kennen
Macht Nutzerforschung. Sprecht mit Betroffenen. Begleitet sie in ihrem Alltag. Lernt sie und ihre Wahrnehmung der Umwelt kennen. Ein möglicher Einstieg ist das Live-Testing von Access for all (Access for all Live Testing). Oder die klassische Methode aus dem Requirements Engineering: Apprenticing. Lernt die Abläufe, Tätigkeiten und Schwierigkeiten eurer Nutzerinnen und Nutzer kennen.
Aus den gewonnenen Erkenntnissen oder vielleicht gemeinsam mit den Benutzerinnen und Benutzern könnt ihr dann Proto-Personas erstellen.
Personas oder Proto-Personas sind ein super Hilfsmittel, um Empathie zu entwickeln und sich immer wieder an die Benutzerinnen und Benutzer zu erinnern. Gestaltet, passend zu eurem Kontext, zum Beispiel Proto-Personas für Menschen mit
- eingeschränkter Sehfähigkeit
- eingeschränkter Hörfähigkeit
- eingeschränkter Sprechfähigkeit
- geringen Lesekompetenzen («Für Nichtschwimmer nicht geeignet»)
- motorischen Einschränkungen.
Mehr Informationen zu Proto-Personas gibt es hier oder bei uns im Innovation / Design Thinking 😀
Tipp 3: Halte die nicht-funktionalen Anforderungen fest
Ein Qualitätskriterium für Software nach ISO 25000 ist die Benutzbarkeit. Diese wird durch die folgenden Eigenschaften bestimmt:
- Erkennbarkeit
- Erlernbarkeit
- Bedienbarkeit
- Schutz vor Fehleingaben
- UI-Ästhetik
- Barrierefreiheit
Vergleiche dazu auch den Infometis Circle of Service Quality, der alle Ausprägungen von Qualität darstellt.
Nachdem ihr im Team eure Proto-Personas erstellt habt, könnt ihr darauf aufbauend die Anforderungen an die Benutzbarkeit erheben.
Haltet diese Anforderungen explizit fest. Da es sich dabei nicht direkt um Funktionen, sondern eher um Rahmenbedingungen und Vorgaben handelt, ist es wichtig, dass ihr euer Produkt regelmässig gegen diese Anforderungen testet.
Für Unterstützung beim Sammeln und Testen der nicht-funktionalen Anforderungen stehen wir mit unseren Services für Requirements Engineering und Testautomatisierung gerne zur Verfügung.
Tipp 4: Teste und automatisiere
Definiert und implementiert automatisierte und manuelle Tests, um Lücken in der Barrierefreiheit, wie z.B. das Fehlen eines Alt-Textes für ein Bild, so früh wie möglich zu erkennen.
GitLab und GitHub bieten Add-ons, um Accessibility Testing direkt in die CI/CD-Pipeline zu integrieren.
Darüber hinaus gibt es Tools, die speziell auf Accessibility Testing ausgerichtet sind,wie axe (kostenpflichtig), WAVE (Open Source) und experte.de -Barrierefreiheit Test (gratis).
Die Stiftung Zugang für alle bietet verschiedene Dienstleistungen für Accessibility Testing an. Vom Ad-hoc Live-Testing bis hin zum Accessibility Audit.
Wir unterstützen und beraten gerne bei der Konzeption von Accessibility-Tests.
Tipp 5: Nutze die Ressourcen der Grossen
Fast alle Big Techs haben Produkte und Anleitungen, die euch bei der Umsetzung von Barrierefreiheit unterstützen können.
- Google: Accessibility Hier wird zum Beispiel die Untertitel-Funktion von YouTube beschrieben: Untertitel hinzufügen - YouTube-Hilfe .
- Microsoft: Accessibility Technology & Tools | Microsoft Accessibility
- Apple: Accessibility (anwenden) Accessibility - Apple Developer (entwickeln)
- Meta: Meta Accessibility
Bonus-Tipp
Beginne mit dem, was du gerade tust, und vereinbart einen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung.
Diese weisen Worte von Kanban sollten uns auch bei der Barrierefreiheit begleiten. Je früher wir die Barrierefreiheit in unseren Entwicklungsprozess integrieren (von der Einhaltung von Standards bis zur Implementierung automatisierter Tests), desto günstiger wird die Umsetzung.
Je später ich die Barrierefreiheit in einem produktiven Service umsetzen will oder muss, desto teurer wird es. Aber auch hier gibt es Ansätze wie konsequentes Refactoring und die Einhaltung der Boy-/Girl-Scout-Rule.
Deshalb ist der beste Zeitpunkt, um mit Accessibility zu beginnen: <heute>.
Gemeinsam
Nutzt diese Tipps zum Experimentieren und Diskutieren in eurem Team und lasst uns gemeinsam die digitale Welt für alle gestalten.
Ich freue mich über jeden Input, Austausch und Erfahrungsbericht. Bis bald!
Euer
Beni
